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Juliane Isbrecht

Von Soulfood bis Stress: 9 Arten, wie Corona unsere Ernährung verändert

Aktualisiert: 26. Juli 2023

Die Corona-Pandemie wirkt sich auf viele Aspekte unseres Lebens aus – auch auf das Essverhalten. Wie aber genau? Antworten liefert der Trendreport Ernährung 2021: Hier verraten die 75 befragten Experten ihre wichtigsten Beobachtungen. Hinweis: Zur einfacheren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Artikel nur männliche Formen. Gemeint sind damit alle Geschlechter.

Trend Report Ernährung 2021
Trend Report Ernährung 2021

10 der insgesamt 75 befragten Ernährungsexperten (c) NUTRITION HUB Corona ist eine echter „Gamechanger“: Millionenfach sind die Deutschen in den vergangenen Monaten der Corona-Pandemie ins Home Office gewechselt. Neben der Arbeit werden mitunter noch Kinder zu Hause versorgt. Nicht wenige Menschen werden von Existenzsorgen und dem Stress geplagt, all diese Dinge unter einen Hut zu bringen. Und zu „diesen Dingen“ zählt nicht zuletzt die Ernährung. https://www.nutrition-hub.de/post/wie-corona-unsere-ern%C3%A4hrung-ver%C3%A4ndert Der Trendreport Ernährung 2021, für den NUTRITION HUB 75 Expertinnen befragt hat, zeigt eindeutig: Was das Essen angeht, führt die Corona-Pandemie zu einer Zunahme widersprüchlichen Verhaltens. Auf der einen Seite neigen viele Konsumenten aufgrund der psychisch belastenden Situation dazu, zu viel zu essen. Auf der anderen Seite interessieren sich viele Menschen vermehrt für gesunde Ernährung und für die Nachverfolgbarkeit von Lebensmitteln. Die Nachfrage nach Ernährungsberatung und -therapie ist dadurch im Jahr 2020 stark angestiegen. Auch Prof. Dr. Anja Carlsohn von der HAW Hamburg beobachtet eine Verstärkung der Extreme. So gelinge es Personen mit hoher Ernährungskompetenz und persönlichen Ressourcen weiterhin, eine bedarfsgerechte, ausgewogene und nachhaltige Ernährung umzusetzen. „Andere werden durch finanzielle Einbußen oder extreme zeitliche Mehrbelastung in Beruf und häuslicher Tätigkeit – man denke an Kinderbetreuung oder Angehörigenpflege – in Situationen gedrängt, wo eine gesundheitsförderliche und nachhaltige Ernährung in den Hintergrund der persönlichen Prioritäten rückt“, so die Expertin. Doch wie ändert sich unser Essverhalten in Zeiten von Corona konkret? Neun maßgebliche Entwicklungen beobachten die befragten Experten im Zusammenhang mit der Pandemie: 1. „Soul Food“ steht hoch im Kurs „Comfort Food“ wurde als Begriff 1966 das erste Mal in den USA genutzt, um Mahlzeiten zu beschreiben, die Erwachsene essen, wenn sie unter Stress stehen und nach Sicherheit und Geborgenheit suchen. Dieses Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermittelt die sogenannte „Seelennahrung“ oder „Soul Food“, die mit angenehmen Gefühlen aus der Kindheit oder schönen Zeiten verbunden ist. In der Corona-Pandemie beobachten unsere Experten dieses Ernährungsverhalten häufiger. Die psychisch belastende Situation im vergangenen Jahr, die in vielen Fällen mit Geldsorgen verbunden ist, führte zu einer starken Zunahme des Essens aus Frust, Langeweile oder emotionalen Ausnahmezuständen. „Die Situation stresst und belastet viele Klienten. Viele finden im Essen ein Ventil für diese Emotionen“, erklärt Juliane Isbrecht von I-Balance Achtsame Gesundheitsförderung. Food Dive berichtet, dass Hersteller großer Lebensmittelmarken während des ersten Lockdowns in den USA die gestiegene Nachfrage nach Comfort Food kaum bedienen konnten. Dieser Trend hat sich jetzt, in der zweiten Pandemie-Welle, noch verstärkt, wie die Ernährungstherapeutin Susanne Lindenthal bei ihren Klienten beobachtet hat. 2. Zu viele Kohlenhydrate, zu viel Alkohol Für viele Menschen bringt Corona den bisherigen Lebens- und Ernährungsrhythmus durcheinander. So beobachtet die Ernährungstherapeutin Esther Nelle einen Rückgang der körperlichen Aktivität und der Motivation, etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Es sei eine gewisse Trägheit durch fehlende Arbeitsstrukturen und Arbeitswege entstanden. Ergänzend konstatiert Caroline Ackermann vom Studio für Ernährungsberatung DR. AMBROSIUS: „Viele Patienten klagen darüber, dass sie zugenommen haben, und interessieren sich jetzt für gesunde Ernährung.“ Einen sogenannten Kohlenhydrat-Overload beobachtet Birgit Blumenschein, Gründerin und Inhaberin von blumenschein Diät- und Ernährungstherapie. „Die Patienten essen vermehrt Brot, Nudeln und Kartoffeln“, erklärt sie. Viele tränken zudem vermehrt Alkohol. Laut der Ernährungstherapeutin Misava Macamo ist das Home-Office gar zum „Triggerfaktor für Essstörungen“ geworden. 3. Schnelles und ausgewogenes Essen wird beliebter Durch den Rückgang der beruflich veranlassten Reisen und das vermehrte Arbeiten von zu Hause haben viele Menschen auch mehr Zeit, selbst zu kochen. Damit ist die Lust gestiegen, sich über Ernährung weiterzubilden. Gleiches gilt für den Willen zum Experimentieren in der Küche: Viele Konsumenten haben angefangen, selbst Brot zu backen oder zu fermentieren. Die Diätologin Petra Eberharter beobachtet, dass Tipps zur Zubereitung schneller und ausgewogener Speisen im Home Office deutlich mehr nachgefragt werden. „Die Schnelligkeit einer Mahlzeitenzubereitung gewinnt an Bedeutung“, sagt auch Kerstin Eickhoff von KD Ernährungskonzepte. 4. Das tägliche Essen als Familien-Event Die Rückbesinnung auf die häusliche Küche führt dazu, dass gemeinsame Mahlzeiten im Familienkreis wieder stärker etabliert werden und einen alten, neuen Stellenwert erlangen. Konsumenten suchen daher Unterstützung bei Ernährungsberatern zum Thema gesunde Ernährung im Home Office: Gefragt sind Tipps zu Einkauf, Zubereitung und Aufbewahrung von Lebensmitteln. 5. Rückfall in alte Rollenbilder Ein Wermutstropfen ist, dass sich in Bezug auf die heimische Essenszubereitung alte Rollenbilder wieder zu manifestieren scheinen. „Zwar essen Familien wieder öfters gemeinsam, was positiv ist“, sagt Verena Dickson, die Gründerin von KinderNutrition. „Allerdings sind Mütter oft noch gestresster als vor der Pandemie. Es ist vermehrt ein ‚Eltern-Burnout‘ zu beobachten.“ 6. Nahrung fürs Immunsystem ist gefragt Die Ernährungswissenschaftlerin und Influencerin Lisa Nentwich (@dinkelundbeeren) beobachtet bei ihren Followern ein gesteigertes Interesse an Lebensmitteln, die gut fürs Immunsystem sind. Gleiches beobachtet Sabine Telega im Bereich betriebliche Gesundheitsförderung, dass besonders Vorträge zu immunstärkender Ernährung nachgefragt werden. Dies geht einher mit einem stark gestiegenen Interesse für Nahrungsergänzungsmittel, wie Prof. Dr. Martin Smollich von der Universität Lübeck beobachtet. 7. Heilsversprechen haben Hochkonjunktur „Das besondere Interesse der Konsumenten am Thema Ernährung und Immunsystem hat gleichzeitig zu vielen Falschaussagen bezüglich der Beeinflussung des Immunsystems durch Ernährung geführt“, sagt der Sportwissenschaftler Dominik Machner. Auf die Gefahr von Falschinformationen in der unübersichtlichen digitalen Medienlandschaft verweist auch Nico Teuschler von der The Longevity Labs GmbH: „Leider gibt es unzählige Fake News über potenzielle Heilversprechen ohne Studienlage – eine Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung“, so Teuschler. 8. Gestiegenes Interesse an Herkunft und Nachverfolgbarkeit der Lebensmittel Verbraucher kochen wieder mehr und achten mehr denn je darauf, sich und ihrem Immunsystem etwas Gutes zu tun. Als Resultat stellen die befragten Experten fest: Es wird vermehrt darauf geachtet, was im eigenen Kochtopf landet. Regionale, saisonale und mit Bio-Siegeln ausgestattete Lebensmittel boomen. So erhoffen sich Konsumenten, ihrem Körper etwas Gutes zu tun. Gleichzeitig sind Verbraucher nicht mehr nur stille Konsumenten des Imbisses um die Ecke. Vielmehr verlangen sie Rechenschaft darüber, wo das Tier, das sie verzehren, herkommt – und wie es behandelt wurde. Verbraucher sind sensibilisiert und einmal mehr gelangt auch das Tierwohl in den Fokus. 9. Die Gemeinschaftsverpflegung gerät unter Druck In Deutschland versorgen die Anbieter der Gemeinschaftsverpflegung täglich rund 17 Millionen Menschen – das sind 21 Prozent der deutschen Bevölkerung. Der Ökotrophologe Holger Pefferle, verantwortlich für den Bereich Fachberatung für die Gemeinschaftsverpflegung bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), berät Großküchen bei der Umsetzung der Empfehlungen. Er beobachtet, dass durch die Etablierung von mobiler Arbeit die Profitabilität vieler Essensanbieter nicht mehr gegeben sei. Dies habe sich bereits vor der Pandemie vielerorts angekündigt – nun sei es ein ernstes Problem. „Die Corona-Pandemie hat verdeutlicht, dass Mitarbeiter der Gemeinschaftsverpflegung teils unter prekären Arbeitsbedingungen arbeiten. Die Angestellten müssen vor allem finanziell mehr Wertschätzung erfahren.“, so Ökotrophologin Anna Rechenberger vom Speiseräume F+B GmbH betont. Gleichzeitig haben sich viele Anbieter den neuen Gegebenheiten angepasst. Dr. Doris Becker, verantwortlich für Ernährungswissenschaft und -beratung bei der apetito AG, berichtet: „Wir reagieren mit individuelleren und flexiblen Angeboten. So haben wir kurzfristige Notfallkonzepte für die Gemeinschaftsverpflegung erarbeitet, um die Verpflegung in systemrelevanten Bereichen wie Kliniken und Senioreneinrichtungen sicherzustellen.“ Im Bereich Essen auf Rädern etwa biete man den Kunden Sicherheit über eine kontaktlose Lieferung.

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